Kirche St. Franziskus von Assisi, Uetikon am See

erbaut 2007/2008
  • Bauherrschaft: römisch-katholische Kirchgemeinde Männedorf-Uetikon
  • Architektur: Daniele Marques, Luzern; Daniel Ciccardini
    1. Preis Projektwettbewerb 2004
  • Kunst und Bau: Jörg Niederberger
  • Anlagekosten (BKP 1— 9): Fr. 5,9 Mio.
  • Gebäudekosten (BKP 2 / m³): Fr. 710.–

Eine Kirche des 21. Jahrhunderts

Bild "igbo:franziskus_uetikon_gesamt.jpg"Das Kirchenschiff, daneben der Turm – das ist der Archetyp einer Kirche. Die Architektur hat sich zwar immer dem Stil der Zeit angepasst, doch selbst die eindrücklichen Kirchenbauten der boomenden Sechzigerjahre folgten meist diesem Muster. Seither hat sich die Rolle der Kirche im Alltag gewandelt; der sonntägliche Kirchgang ist keine Selbstverständlichkeit mehr, dafür haben Aufgaben wie die Jugendbetreuung an Bedeutung gewonnen. Veränderte Bedürfnisse bringen andere Bauformen hervor. Das zeigt das Franziskus-Zentrum in Uetikon beispielhaft. Im Raumprogramm spielt der Kirchenraum zwar die zentrale Rolle, daneben waren aber auch ein grosszügiges Foyer, Jugendräume, Unterrichts- und Sitzungszimmer, Büros und eine Wohnung vorzusehen.

Bild "igbo:franziskus_uetikon_eingang.jpg"Architekt Daniele Marques fasste alle diese Funktionen in einem grossen Volumen zusammen, das das Grundstück am Rande des Uetiker Dorfkerns besetzt. Der grobe, in kräftigem Rot und Orange gestrichene Putz setzt den flachen Bau von seiner Umgebung ab, an einer Ecke steigt die unregelmässige Dachkante steil nach oben an. Nach aussen gibt sich das Zentrum verschlossen, doch Tore gewähren grosszügig Einlass. Wer die Anlage von Norden betritt, gelangt in einen grossen Hof, der gleichsam Innen- wie Aussenraum ist und einen in seiner Ruhe schnell den Alltag vergessen lässt. Ein offener Gang erschliesst als Rückgrat die Teile des kirchlichen Zentrums, und er streift einen weiteren Hof, an dem die Jugendräume liegen.

Bild "igbo:franziskus_uetikon_sakralraum.jpg"Durch einen kleinen Vorraum gelangt man in den Kirchenraum, dessen Decke gegen die Altarwand hin steil ansteigt. Von oben streift das Licht der Wand entlang, ein schmaler, horizontaler Schlitz erhellt den Boden. Der Raum und die von Jörg Niederberger gestaltete liturgische Ausstattung sind in unterschiedlichen Weisstönen gehalten. So stellt sich allein durch die räumliche Gestaltung und das Licht eine sakrale Stimmung ein. Insgesamt ist das Uetiker Franziskus-Zentrum eine gelungene Antwort auf die schwierige Frage, wie denn ein Kirchenbau am Anfang des 21. Jahrhunderts aussehen soll.
Werner Huber, in: «Hochparterre»

Die liturgische Funktion

Bild "igbo:franziskus_uetikon_nacht_innen.jpg" «Es gibt keine Gestalt der Kirche, die ein für allemal gültig wäre. Ein für allemal gültig ist jenes Geheimnis des Glaubens selbst, des heiligen Wohnens im irdischen Gebilde.» Was Romano Guardini erkannt hat, scheint im neuen Kirchenzentrum behutsam gefördert zu werden.

Bild "igbo:franziskus_uetikon_innen.jpg"Wer diesen Kirchenraum betritt, dem widerfährt Verwandlung. Vom farbigen Hof her kommend, wird man in Weiss gehüllt. Der Raum öffnet sich kühn und steil nach oben, von wo das Licht über die ganze Breite hinunterflutet: Kreuz, Tabernakel, Altar, Ambo und Taufstein – die symbolischen Orte der Präsenz Christi – in ein diskretes Lichtspiel tauchend. Die Architektur und die sensible künstlerische Gestaltung verstehen es, zum «heiligen Wohnen im irdischen Gebilde» einzuladen. Auch der Weg auf dieses Ziel hin, das man, durch die Sakramente gestärkt, hinter dem grossen Licht wähnt, wird von einer Lichtfuge an der rechten Wand entlang und heiligen Zeichen an der linken (Zeugnis der Heiligen, Lebensbaum) unterstützt.

Bild "igbo:franziskus_uetikon_grundriss.jpg"Obwohl die Rückwand ins Foyer hinaus geöffnet werden kann und halbseitig eine mobile Bestuhlung gewählt wurde, wird kein flaches Mehrzweckraumgefühl aufkommen können. Zu stark ist die Wirkung des Lichts und der diskreten und doch monumentalen, unverrückbaren sakramentalen Orte. Beides ermutigt vielmehr dazu, oft und sinnvoll von dieser Freiheit Gebrauch zu machen, in der einen oder anderen Weise vor Gott hin zu treten. Dennoch ist dieses Raumkonzept keinesfalls revolutionär, schreibt es doch die Tradition des gerichteten Kirchenraumes fort: Die Feiernden schauen in dieselbe Richtung, stellen also weniger den Aspekt der Gemeinschaft der Heiligen als jenen der pilgernden Kirche dar.

Bild "igbo:Franziskus_uetikon_altar.jpg"Stete Herausforderung wird sein, mit dieser Raumsprache sorgfältig umzugehen; etwa die Ausrichtung des Raumes im Zueinander der liturgischen Rollen wahrzunehmen oder der hartnäckigen Versuchung zu widerstehen, die «lichte Leere» mit Dekoration vollzustopfen, sondern eben dem «heiligen Wohnen im irdischen Gebilde» je Raum zu geben.
Peter Spichtig op, Liturgisches Institut, in: «Pfarrblatt der Zürcher Katholiken» N° 21/2008

Preise

  • Architekturpreis Farbe – Struktur – Oberfläche 2010
    Bild "igbo:Caparol.jpg"Die Jury zeichnete die Arbeit des Luzerner Architekten Daniele Marques mit dem Architekturpreis Farbe – Struktur – Oberfläche 2010 aus, weil sie «besticht durch ihre Bescheidenheit und Demut und überzeugt durch ihre Delikatesse». Die Materialisierung der Anlage ist geprägt von einer Massivbauweise mit verputzten Wänden, außen wie innen. Die Fassaden, welche der Nachbarschaft zugewandt sind, sowie die Innenhöfe sind in sich überlagernden Orange-Rottönen gehalten. Innen sind die Wände als lichtreflektierende Oberflächen in Weiß gestrichen. Durch verschiedene Körnungen und Weißtöne nimmt die Farbe das besondere und speziell geführte Licht im Innenraum auf und erzeugt eine eigenständige Atmosphäre. Dem Preisgericht haben die Schlichtheit im Umgang mit den Materialien und Räumen und die Ausformungen der kontemplativen Räume, der Nutzräume, sowie die Einbindung in den städtebaulichen Kontext sehr gut gefallen. «Es ist eine Arbeit, die ein eindeutiges Bravo verdient», heißt es im Urteil.

  • best architects 11 gold Kategorie Sonstige Bauten
    Bild "igbo:bestarchitects.jpg"Eine heterogene Bebauung, bestehend aus Einfamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern und einer Schulanlage, bestimmt die Atmosphäre des Ortes. Als Grossform steht das Zentrum zwischen diesen Bauten und erhält dadurch seine Rolle als öffentliches und sakrales Gebäude im Quartier. Seine Höhen sind progressiv: von einer eingeschossigen Gestalt im Westen, angrenzend an die benachbarten Einfamilienhäuser, bis hin zu einem zehn Meter hohen Abschluss gegen Osten, der den Kirchenraum beinhaltet. Das neue Kirchenzentrum vereint in einem Komplex verschiedene Raumbereiche: Kirche, Verwaltung und Wohnung sowie Jugendzentrum.  

    Jeder Einheit lagern eigens definierte Aussenräume in Form von Innenhöfen vor, die entsprechend ihrer Nutzung verschieden gestaltet sind. Von den Raumgruppen im Gebäude ist der Bereich mit Kirchenraum, Foyer und Gruppenräumen der zentralste Ort. Die Materialisierung der Anlage ist geprägt von einer Massivbauweise mit aussen wie innen verputzten Wänden. Die Fassaden und die Innenhöfe tragen zwei sich überlagernde Farben in Orange- und Rottönen. Innen sind die Wände als lichtreflektierende Oberflächen in der Farbe Weiss gehalten. Im Sakralraum nehmen verschiedene Putzkörnungen und unterschiedliche Weisstöne das speziell geführte Licht auf und erzeugen eine spirituelle Atmosphäre.

Publikationen


  • Fin de Chantier 'Eine Kirche von Heute'. in: Hochparterre, N° 1-2/2009. S.58.

  • Tobias Schwarzer: best architects 11. Düsseldorf: Zinnobergruen, 2010. ISBN 978-3-9811174-4-8 (deutsch, englisch)




Bilder


 
Franziskus_uetikon_altar.jpg
Altarraum
franziskus_uetikon_aussen_eingang.jpg
Eingang Nord
franziskus_uetikon_eingang.jpg
Eingang Ost
franziskus_uetikon_gesamt.jpg
Ansicht Süd
franziskus_uetikon_grundriss.jpg
Grundriss
franziskus_uetikon_hof.jpg
Durchsicht
franziskus_uetikon_hof1.jpg
Grosser Innenhof
franziskus_uetikon_hof_baum.jpg
vor der Kirche
franziskus_uetikon_innen.jpg
Lichtführung
franziskus_uetikon_nacht_innen.jpg
In der Nacht
franziskus_uetikon_sakralraum.jpg
Sakralraum